Tipps und Tricks

Anspruchsvolle Fotografie: Das Unsichtbare sichtbar machen

Professionelle Fotografen schaffen es mit wenig Mitteln und teilweise erschreckend einfachen Fotos oft riesige Wirkung beim Betrachter zu erzielen. Sie scheinen hier tatsächlich ein Auge für Details zu haben, die normalen Menschen verborgen bleiben. Wie, als hätten sie einen sechsten Sinn oder könnten eine Farbe mehr sehen als alle anderen. Tatsächlich ermöglicht es die Fotografie manchmal, verborgene Dinge, die für das Auge generell unsichtbar sind, sichtbar zu machen. In diesem Artikel soll es genau um diese Art der Fotografie gehen und einige Fotografen, die diese Disziplin perfektionieren.

Verborgen im Dickicht

Das Erste, was einem sicherlich einfällt, wenn man an Fotografie denkt, die Verborgenes sichtbar macht, ist die Tierfotografie in entlegenen Winkeln der Erde. Was verborgen ist, scheint sich schließlich bewusst zu verstecken und was passt da als Gegenstück besser, als ein scheues Tier in einem weit entfernten Wald. Unter den Tier- und Wild-Life-Fotografen gibt es eine ganze Reihe an großartigen Künstlern – hier den Besten zu bestimmen, ist eine reine Geschmacksfrage. Einer jedoch, der das Verborgene gleich auf mehreren Ebenen sichtbar macht, ist der Brite Andy Rouse. Stolzierende Eulen, gähnende Seelöwen, tanzende Tiger – Andy Rouse präsentiert Tiere aus der ganzen Welt in einer Weise, wie sie der Betrachter noch nie gesehen hat. Viele Fotos zeigen ihn außerdem in direktem Kontakt mit den Tieren, so als würden sie bewusst für ihn Modell stehen.

Die kleinste Regung

Bei etwas Unsichtbarem muss es sich allerdings nicht um ein seltenes Tier handeln, sondern auch in völliger Öffentlichkeit kann etwas Unsichtbares liegen. Nicht versteckt, aber verborgen sind oft kleinste Regungen in den Gesichtern von Menschen. Wer dem Gegenüber aus taktischen Gründen seine Emotionen und Gefühle nicht zeigen will, zieht ein sogenanntes Pokerface auf.

Dieser Name kommt nicht von ungefähr, sondern ist einer der wichtigsten Faktoren in der Welt der Pokerturniere, in der niemand durch sein Gesicht verraten möchte, wie es um ihn und seine Kartenhand bestellt ist. Dazu werden oft auch die irrsten Brillen, Mützen und Pullover verwendet. Für Live-Berichterstattungen von Live-Events in der Pokerszene hat es sich Neil Stoddard für PokerStars zur Aufgabe gemacht, die vielen Gesichter der bekanntesten Spieler zu fotografieren und erzählt so häufig durch seine Bilder überraschend spannende Geschichten. Meistens entstehen im Kopf des Betrachters parallel Mono- oder Dialoge, die zu den jeweiligen Situationen passen und bringen eine zusätzliche humorvolle Ebene zu den Fotos hinzu.

Bizarre Portraits

Sicherlich besonders, aus Sicht der Fotografierten nicht zwingend positiv, aber für externe Betrachter umso eindrucksvoller, ist die Portrait-Fotografie von Brandon Voges. Während der US-amerikanische Werbe-Fotograf auch konventionelle Portraits fotografiert, ist besonders eins seiner Projekte bemerkenswert. 2009 fotografierte er Portraits von mehreren Personen, während sie in einer bestimmten Konstruktion kopfüber von der Decke hingen. Was zwar seltsam aber unspektakulär klingt, führte zu einem unglaublichen Ergebnis: Durch die entgegengesetzte Schwerkraftwirkung wirkten alle Gesichter völlig befremdlich und die Models schienen kaum in der Lage überhaupt ihren Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Auf diese Weise entstanden Portraitaufnahmen, die Menschen auf eine Weise zeigten, wie weder sie selbst oder irgendjemand sonst sie jemals gesehen hatte. Obwohl sie handwerklich erstklassig fotografiert sind und eine solche Faszination auslösen, würde sie sich, objektiv betrachtet, aber wohl auch niemand von ihnen zu Hause aufhängen.

Immer schneller und schneller

Den Anschein von etwas Unbekanntem erwecken oft auch Portraits, die eine starke Unschärfe im Hintergrund besitzen. Dieser sogenannte Bokeh-Effekt (aus dem japanischen: verschwommen) ist streng genommen eine Erfindung des verwendeten Objektivs, denn das menschliche Auge sieht Objekte in der Realität anders. Um diesen Effekt zu verstärken, wird die Blende möglichst weit geöffnet. Das lässt viel Licht auf den Kamerasensor und verringert den Bereich, der auf dem Bild scharf ist. Damit dem Fotografen dabei auch bei Tageslicht noch normal belichtete Fotos gelingen, muss die Verschlusszeit stark verringert werden. Somit wird das viele aufgenommene Licht nur einen ganz kurzen Augenblick erfasst, wodurch das Foto nicht zu hell bzw. überbelichtet wirkt.

Die High-Speed-Fotografie birgt allerdings noch viele weitere Bereiche, in denen viel schneller aufgenommen wird. Dadurch werden häufig Prozesse und Zustände festgehalten, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. In der Werbung ist High-Speed-Fotografie besonders bei Nahrungsmitteln verbreitet. Wie kaum zwei andere beherrschen in diesem Bereich die Fotografen Michael Crichton und Leigh MacMillan ihr gemeinsames Handwerk. In spektakulären Momentaufnahmen nehmen verschiedenste Lebensmittel bei ihnen Formen und Positionen an, bei denen man sich fragt, wie die Künstler es überhaupt geschafft haben, sie in Bruchteilen von Sekunden so kunstvoll zu arrangieren.

Dem Anblick entwachsen

Schließlich wollen wir noch eine letzte Art der Fotografie vorstellen, die Unsichtbares sichtbar macht und das ist die sogenannte Nano-Fotografie. Die Objekte, die Nano-Fotografen wie Michael Oliveri von der Universität in Georgia in den USA fotografiert, sind so klein, dass das menschliche Auge sie nicht einmal mit einer Lupe erkennen könnte. Auf eine Art erinnern sie den Betrachter an Wiesen und Landschaften, und doch findet sich in ihnen immer etwas, was nicht von dieser Welt zu stammen scheint. Die mikroskopische Welt, deren Anblick wir Menschen entwachsen sind, ist eben doch sehr anders, als die Welt, in der wir leben.

Wie man sieht, existieren in der Fotografie viele verschiedene Disziplinen, die versteckte Dinge sichtbar machen, und das nicht einmal im übertragenen Sinne. Ganz egal jedoch, in welchem dieser Bereiche die ganz großen Fotografen ihre Bilder schießen, sie alle verzaubern uns auf ihre eigene Weise und erlauben uns einen völlig neuen Blick auf unsere Welt, die wir eigentlich jeden Tag sehen und die uns doch verborgen bleibt.

Bildquellen:

Photo by Diana Parkhouse, Lizenz: CC0 Creative Commons
Photo by 4924546, Lizenz: CC0 Creative Commons

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